GTKos e.V.
Eine nicht kommerzielle Plattform zum Ausstausch aller Kostümschaffenden im deutschsprachigen Raum.

Sich vernetzen
25 Kostümdirektoren deutschsprachiger Theater treffen sich im Jahr 2002. Sie haben eine Idee: Kostümschaffende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu vernetzen. Fünf Jahre später, auf der Showtech, der internationalen Fachmesse in Berlin, sind 250 Teilnehmer von der Idee angetan. Am 8.Juni 2011 ist Vereinsgründung, seitdem gibt es die GTKos e.V.

Wissen weitergeben
Heute hat GTKos 333 Mitglieder in dreizehn Fachgruppen: Es gibt Kostümdesigner und Gewandmeister, ebenso Kostümfärber und Modisten, auch Schuhmacher und Rüstmeister, um nur einige zu nennen. Neben den Ausbildungsberufen widmet sich die GTKos auch den sogenannten Neigungsberufen. Hier wird Wissen weitergegeben, beispielsweise der Umgang mit gesundheitsgefährdenden Farben, wie es im Bereich Kostümmalerei nicht unüblich ist. In Berufen, die rückläufig sind, wird möglichst viel Wissen archiviert, so auch bei den Rüstmeistern.
Die Mitgliedertreffen sind ein Ort der Begegnung und der Diskussion.
Die Showtech heißt heute Stage/Set/Scenery und ist alle zwei Jahre Treffpunkt für die Versammlung und die anschließenden Fachgruppentreffen.

Vertretung der Kostümschaffenden
Die GTKos e.V. bietet allen Beteiligten kontinuierliche Informationen zu ihren Berufen, ist Kontakt- und Austauschbörse und organisiert Fachtreffen, Seminare und Workshops. Sie ist darüber hinaus Vertretung der Kostümschaffenden gegenüber Fachverbänden und Institutionen.
Nicht nur Festangestellte, auch freie Kostümschaffende aus dem Theater- und Filmbereich und künstlerisch und handwerklich Tätige werden durch die GTKos vertreten. Die Berufsstände warden repräsentiert und die Wahrnehmung der Kostümabteilungen gezielt gefördert.

Die Modisten
Die Modistenfachgruppe hat immerhin 29 Mitglieder und ist sehr aktiv. Wir treffen uns abwechselnd einmal im Jahr zu der Mitgliederversammlung in Berlin und im darauffolgenden Jahr in einem Theater. Die dort arbeitende Modistin zeigt dann ihren Arbeitsbereich und führt durch das Theater, bereitet einen Workshop vor und plant einen Besuch vor Ort, der den Interessen der Teilnehmer entspricht und eine Besonderheit der Region darstellt. Die Fachgruppenleiter Eike Schnatmann und Ina Breuer, beide vom Staatstheater Stuttgart für Oper, Ballett und Schauspiel, unterstützen und organisieren mit großem Engagement. Die Mitglieder kommen aus allen Teilen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Mit dabei sind die Theater in den Großstädten und kleinere Landestheater, überwiegend staatliche und einige private Theater.
Die Theater unterscheiden sich in Sprechtheater, Drei-bis Sechsspartenhäuser, Oper, Ballett oder Musical und damit unterscheidet sich auch der Aufgabenbereich der einzelnen Modisten. Das macht den fachlichen Austausch spannend. Das Treffen fängt mit einer Vorstellungsrunde an, verbunden mit der Präsentation interessanter Projekte  aus der letzten Spielzeit. Dabei wird die Arbeit vom Entwurf, über die Materialfindung, bis zur Fertigstellung weitergegeben. Mitgebrachte Kopfbedeckungen und Materialproben im Original sind besonders willkommen. Sind die Objekte in laufenden Vorstellungen oder zu groß für den Transport, werden Fotos gezeigt.

Bühnentauglichkeit
Die Entwürfe  der Kostümbildner entwickeln sich in Kooperation von dem „Dreigestirn“: Regisseur, Bühnenbildner und Kostümbildner. Die Herangehensweise der einzelnen Kostümbildner ist sehr unterschiedlich. Mitunter gibt es klare Vorstellungen. Dann werden der Zeichnung entsprechend die Materialien ausgewählt. Bei der Umsetzung sind Proportionen, Farbwahl, Bühnentauglichkeit und handwerkliche Realisation zu berücksichtigen, um dicht am Entwurf zu bleiben. Sind die Ideen des Designers nur angedeutet, sind wir Modisten aufgefordert etwas anzubieten. Hilfreich ist es, wenn es Informationen zu den Anforderungen auf der Bühne gibt: Was müssen die Schauspieler/Sänger/Tänzer mit der Kopfbedeckung auf der Bühne machen können?Bewegen sie sich viel? Gibt es Schmutz, Farbe, Wasser o.ä.? Gibt es Umzüge und wieviel Zeit haben sie dafür? In der Probenphase halten wir deshalb immer wieder Rücksprache mit der Kostümassistenz, die die Proben betreuen. Die Rückmeldungen sind für uns wertvoll, um sowohl den Komfort beim Tragen, als auch die Langlebigkeit der Werke zu gewährleisten. Darin ähnelt sich die Arbeit in den Theaterhäusern.
Doch während große Chöre in der Oper üblich sind, sind sie für das Sprechtheater eher eine Ausnahme.Bei wechselnder Besetzung, wie im Musical, müssen die Größen variable sein.
Auch im Theater gibt es Trends und Moden. Derzeit sind Inzenierungen mit großen Kostümbildern angesagt und das wirft Fragen auf: Wie schaffen es die anderen? Vergeben die Hauser Aufträge an freie Unternehmen? Oder werden Stunden aufgestockt? Wie ist der Umgang damit?

Wertvolle Tipps
Uns alle eint, dass wir ungewöhnliche Wege bei der Materialauswahl gehen. Hilfreiche Tipps sind bei den Treffen besonders wichtig und werden im Protokoll festgehalten. Damit nichts verloren geht und um später nachlesen zu können, wie die Kollegin es gelöst hat. Bauhelm Inlays, Kopfschirme der letzten Fussball Meisterschaft oder thermoplastische Materialien wie Varaform, Worbla und Fosshape sind Beispiele  für mögliche Aufbauten und Herangehensweisen. Neue Materialien wie Isomatten, Filtermaterial aus der Aquaristik oder haltbar machende Praktiken wie Gummimilch auf Papier, entsprechen den Anforderungen und erleichtern die Arbeit. Auch der Erfahrungsschatz über Qualität verschiedenster traditioneller Materialienwird geteilt, ebenso Bezugsquellen und Literaturhinweise.

Der Alltag im Theater
Wenn mit der ersten Probe und allen Gewerken, der sogenannten A.M.A. (alles mit allem) die Endprobenwoche eingeläutet wird, ist es der Endspurt bis zur Premiere. An den Originalkostümen werden die Saumlängen, die Bespielbarkeit und die Anforderungen überprüft.
Werfen Hüte Schatten, wird das von der Lichttechnik begutachtet, Perücken unter den Hüten interessieren die Maskenbildner, die Requisite bereitet vom Essen auf der Bühne bis zu den Blutkapseln auch alle kleinteiligen Gegenstände vor. Diese letzte Woche fordert von allen Flexibilität und einen professionellen Umgang miteinander. Und es wird sichtbar, wie gut die Planungen und Absprachen im Vorwege waren. In dieser letzten Woche bündeln sich alle Anstrengungen.
Erwähnt werden sollten auch die Arbeiten, die es nicht auf die Bühne schaffen, weil beispielsweise eine Szene gestrichen wurde. Das ist zugegebenermaßen enttäuschend. Die Zeit und Mühe will doch belohnt werden. Dann wandert es erst einmal in den Fundus und wird für ein anderes Stück gebraucht.

Inspirationsquelle aus allen Epochen
Die Aufbewahrung in einem Theater ist ein wichtiges Thema für uns. Der Fundus ist für die Kostümbildner mehr als eine Inspirationsquelle. Sie finden Kostüme und Hüte aus allen Epochen, die selten auf Anhieb passen. Umgearbeitet kommen sie dann auf die Bühne. Dafür benötigt es viel Platz und eine akribische Ordnung. In ruhigen Zeiten, vor dem Spielzeitende, wenn alle Premieren geschafft sind, ist es ein willkommener Abschluss, sich darum zu kümmern.

Die Erzählungen schmücken
Mir hilft es die Inszenierung zu sehen, um zu verstehen, warum die Kostümteile nach einer Vorstellung lädiert wiederkommen. Wenn im Laufe des Stücks auch an der Kleidung Verzweiflung, Elend und Untergang sichtbar werden, dann ist es ein konsequentes und wirksames Mittel, dass sie Patina bekommen.
In einer Inzenierung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg wird ein gesteifter Pork Pie zerdrückt und ist nach der Vorstellung mit feinem Gibsstaub bedeck. Für die nächste Vorstellung muss er wieder aussehen wie neu.
Die Arbeit einer Modistin am Theater nährt sich aus Fantasie, Modetrends und Stimmungen, um die zu erzählende Geschichte umsetzen und schmücken zu können. Erfahrungen, handwerkliches Geschick und eine große Portion Forschergeist sind dabei hilfreich.

Zurück zur GTKos
Schwierigkeiten, Rechercheergebnisse und Lösungsansätze bereichern unsere Treffen und fördern die Gemeinsamkeit, in einem Beruf, in dem man häufig alleine vor diesen Aufgaben steht, ist das sehr wertvoll. Es ist also nicht verwunderlich, dass kurz nach Beginn unserer GTKos Treffen ein angeregter Ausstausch stattfindet. Diese beiden Tage sind gefüllt mit Inspiration, Gesprächen zum Arbeitsalltag, Workshops und Exkursionen und natürlich immer viel zu schnell vorbei.
Abends wird das Programm durch einen Theaterbesuch oder ein gemeinsames Essen abgerundet.
Und wenn Anfang des Jahres die E-Mail von der GTKos kommt, mit dem Satz: “ Wir planen unser nächstes Treffen“; dann ist die Vorfreude groß.
Und vielleicht ist er nicht mehr fern: Unser gemeinsamer Traum der Studienreise, von den Kostüm-und Hutmuseen in der Umgebung Lyons, weiter bis nach Florenz?

Diesen Artikel habe ich für HATLINES MAGAZINE #67 geschrieben, er erschien im Herbst 2019