Präsentation mit Respekt
Auf dem Weg zu ihr nach Berlin Tiergarten, passiert man eine bunte Mischung aus Dönerbuden und Ramschläden, neben Feinschmecker Restaurants und Edelboutiquen, begleitet von dem Lärmpegel einer vierspurigen Straße.
Und dann erscheint, hinter einer Schaufensterfront von sagenhaften 20 Metern, der Hutpalast von Fiona Bennett. Eine andere Welt edel und ganz in weiß. Die Räume sind groß, aber der Blick fällt auf ihre Hüte. Direkt wird der Betrachter für das Handwerk und die Kunst eingenommen. Jeder Hut kommt zur Geltung. Frei schwebend oder in runden Ausstellungsflächen, in kleinen Gruppen thematisch oder auf verschiedenen Ebenen arrangiert. Und in der Werkstatt nebenan darf zugeguckt werden.

Die Anfänge
„Bildhauerin war mein eigentlicher Berufswunsch“, verrät Fiona Bennett. In Brighton geboren, kommt sie als Kind nach Berlin. Durch Zufall läuft Fiona Bennett an einem Hutatelier in Berlin Mitte vorbei. Obwohl Gisela Pieczinski nicht mehr ausbilden will, gelingt es ihr, sie zu überreden.
Während ihrer Ausbildung fertigt sie für die Deutsche Oper, das Schillertheater und den Zirkus Roncalli Kopfbedeckungen und fängt nebenbei ihre eigenen Austellungen an zu organisieren. Ihr Status als Künstlerin wird von der Handwerkskammer anerkannt. Sie sucht in Zusammenarbeit mit der Modedesignerin Lisa D. nach neuen Ansätzen: Wie kann der Zuschauer bei einer Modenschau vom passive Betrachter in einen aktiven Teilnehmer verwandelt werden? Am Ende mieten sie eine Geisterbahn und die Leute stehen Stunden an, um ein zweites Mal fahren zu dürfen.

Juwel in grauer Umgebung
In diesen späten Jahren, kurz vor dem Mauerfall, war Berlin geographisch betrachtet eine Insel und ein Zufluchtsort für Freigeister jeder Couleur. Es war bunt gemischt und die Zeit war günstig.
Als 1989 die Mauer fällt, schaut die gesamte Welt nach Berlin. In dieser Zeit werden neue Räume in Ostberlin erobert, ganz vorn mit dabei ist Fiona Bennett. Sie beginnte in einer alten Seifenfabrik im Hinterhof. In einer Gegend, die eintönig, grau und wenig attraktiv ist. 1999 eröffnet sie ihren ersten Hutsalon in Berlin Mitte, eine Oase der Fabe und Phantasie. Sie bleibt 12 Jahre, begleitet von der Aufmerksamkeit durch die Presse.

Auf Neues einlassen
Jedes Jahr entsteht eine neue Kollektion mit rund 40 Modellen, dazu kommen noch besondere Themen, wie Abend-, Hochzeits- und Herrenmodelle. Jedes einzelne Modell entwift und entwickelt sie selbst in ihrem Atelier in Kreuzberg.
Das Team besteht aus 10-12 Mitarbeitern, einem Assistenten, zwei Hutmacherinnen, einer Auszubildenden und projektbezogenen Praktikanten aus verschiedenen textile Bereichen. Ihre Strickkollektion KISS lässt sie in Berlin fertigen.
Für ihre ONE WORLD Kollektion beschäftigt sie Frauen aus einem kleinen Dorf im Osten Ghanas, einer Gegend in der eigentlich traditionell Körbe geflochten werden. Die Frauen haben sich auf etwas Neues eingelassen und fertigen Sonnenhüte. „So können sie ihr Dorf jetzt schon im dritten Jahr finanziell unterstützen“, berichtet Fiona Bennett. Das Material wächst vor Ort, Kinkanhe Gras, das im Fühjahr geerntet und nach Bennetts Farbpalette pflanzlich gefärbt wird. Von unterschiedlichen Techniken und Kulturen aus Peru oder Mexiko, sowie durch Europa inspiriert, entstehen die Ideen. Verbeult kommen sie in Berlin an und werden einzeln nachgearbeitet. Die sehr runde Form wird durch das Innenband passend gemacht.
Auffällig an ihren Kollektionen ist, dass sich die Vielfalt verschiedener Ethnien widerspiegeln, die liebevolle Inspiration wiederholt sich und durchzieht ihre Arbeit  wie ein roter Faden.

Als durch und durch visueller Mensch ist die Ideenfindung kein Problem für Fiona Bennett. Schwieriger ist es das Design klar zu definieren. „Ideen gibt es dabei manches Mal für drei Hüte“, sagt sie. „Nur das Nötigste bleibt“. Aus natürlichen Materialien, die sich bis zu den Details finden, verwirklicht sie ihren eigenen Blick. Die alte Handwerkskunst ins Jetzt zu übertragen hat sie sich dabei zur Aufgabe gemacht.

Der Hintergrund rückt in den Vordergrund
Das Wissen über den traditionellen Kimono ist beispielsweise Inspiration für die Kollektion COUTURE KIMONO UPCYCLING. Die Symbole auf der feinen Seide haben eine Bedeutung bei der Hochzeitszeremonie in Japan.
„Von meinem Urlaub in Indien habe ich überraschenderweise kein Material mitgebracht, wie von meinen Mitarbeitern gehofft“, gibt Fiona Bennett zu. Ohne diese Auswahl an Materialien, setzt sie für die danach entstandene Kollektion UNLOCK YOUR POWER alles ins Zentrum, in die Mitte des Hutes und erzeugt damit ein kraftvolles Design.

Seit 30 Jahren arbeitet Fiona Bennett nun schon für ihr eigenes Label. 60% ihrer Aufträge kommen aus dem Ausland. Sie hat einen festen Kundenkreis jeglichen Alters und unterschiedlicher Berufsgruppen. Dabei sind auch bekannte Namen wie Brad Pitt: das Modell Malcom hat er seitdem bei vielen Presseterminen getragen.

Fiona Bennett liebt ihren Beruf und erklärt ihre Motivation mit ihrer ausgeprägten Menschenliebe. Das Vertrauen ihrer Kunden, die sich in ihre Hände begeben, ist für sie ein Geschenk. Sie sagt: „Die Form und der Träger bilden eine Einheit. Der Hut hebt den Träger, vervollständigt und verschönert ihn“.
Dabei ist die Beständigkeit der Qualität das Geheimnis ihres langen Erfolgs, der auch beinhaltet, dass immer wieder Neues entsteht.

Hüte erzählen Geschichten
Ihre Hüte sind Teil der Geschichten, die andere erzählen. Wie in BABYLON BERLIN, eine international sehr erfolgreiche Serie über die Weimarer Republik in den 20er Jahren. Die Regisseure haben die Hüte geschickt in Szene gesetzt, sie „mitspielen lassen“, so dass der Zuschauer elegant über die Kopfbedeckungen in die Handlung hineingezogen wird.

Fiona Bennett verabschiedet sich, um sich weiter mit dem Aufbau von Hutformen zu beschäftigen. Mit ihrem Formempfinden entwickelt sie Eigenes und arbeitet so gut wie nie mit den üblichen Hutblöcken.
Und in gewisser Weise gleicht ihre Arbeit der einer Bildhauerin.

Diesen Artikel habe ich für HATLINES MAGAZINE #68 geschrieben, er erschien im Winter 2019.