„Hast Du Zeit und Lust bei den Salzburger Festspielen zu arbeiten?“, fragt mich Susan Pieper Mitte April über Instagram. Sie leitet die Modisterei und ist eigentlich von März bis August vor Ort. Bedingt durch den Lockdown geht es in diesem Jahr erst im Mai los.
Die Zahl der festen Mitarbeiter wächst in jedem Sommer von ca. 300 auf 3000 Angestellte, die mit ihrer Arbeit das weltweit bedeutendste Festival für klassische Musik, Oper und Schauspiel unterstützen. Im Sommer kommen Schneider, Weißnäher, Kostümmaler, Färber, Maskenbildner und Ankleider aus verschiedenen Regionen und Ländern. Die Schuhmacher kommen aus Italien und in der Modisterei sind wir zu viert, je zur Hälfte aus Österreich und Deutschland. Ich freue mich dabei zu sein.

Ein Dauerbrenner bis heute
Salzburg ist schon seit dem Mittelalter ein beliebter Ort für Kostümfeste. Als friedvolle, kulturelle und völkerverbindende Begegnung werden die Salzburger Festspiele im Jahr 1920 nach dem 1. Weltkrieg gegründet.
Es soll den Tourismus ankurbeln.
Hugo von Hofmannsthals Jedermann, inszeniert von Max Reinhard, spielt auf dem Domplatz unter freiem Himmel und ist seitdem ein Dauerbrenner. 1922, zwei Jahre nach der Gründung werden die ersten Opern, Don Giovanni und Cosi fan Tutte, in Mozarts Geburtsstadt von Richard Strauss persönlich dirigiert.
Heute sind die Opernproduktionen wichtigster Bestandteil und ein Zuschauermagnet. Von der Nazizeit bleiben die Festspiele nicht unberührt. Zwei Ausstellungen in Wien und Salzburg widmen sich dem Thema. Wer mehr darüber erfahren möchte, für den gibt es den Link dazu am Ende des Artikels.
Im Sommer 1945 werden die Spiele unter widrigsten Umständen und mit Unterstützung der amerikanischen Besatzer wieder aufgenommen.

Ein Jahr Planung
Die Veranstaltungen sind generell schnell ausverkauft. Inzwischen gibt es acht Spielstätten in Salzburg und Umland.
Ein Jahr im voraus starten die Vorbereitungen für eine Oper. Jan Meier ist Kostüm Direktor und erzählt, dass er 32 Festangestellte beschäftigt. „Ein engerZeitplan“, sagt er, „der erfordert große Flexibilität. Aufgrund des fehlenden festen Ensembles am Haus, reisen wir immer dahin, wo die Gruppen sind.“ Er meint damit die Chöre, die zwischen 90-120 oder 40-60 Mitglieder haben.
Zum 100. Jubiläum im letzten Jahr gibt ein kleines Programm, dass Mut machen und wieder ein Zeichen im Sinne der Gründungsidee sein soll.
2021 findet das Programm wie geplant statt. Bei der Mozartoper werden die 134 Statistinnen mit farblich aufeinander abgestimmten Kleidern und passendem Schleier aus Tüll ausgestattet.
Für die 32 Chormitglieder und Solisten werden alle Hüte in weiß angefertigt. Das Konzept für die Szene setzt sich aus Trachten-Elementen der ganzen Welt zusammen. Jedes Modell ist ein Einzelstück. Im Probenverlauf wird die Idee von einer mittig platzierten Straußenfeder entwickelt, die vor der Premiere doch wieder gestrichen wird.
„Für die Bühne braucht es eine ganz andere Herangehensweise, die sich von der klassischen Arbeit als Modistin unterscheidet“, betont Susan Pieper. Wir haben die Hüte mehrfach gesteift und zum Feststecken mit Crinolband präpariert. Sogar ein 3-D Drucker kam für einen Hut zum Einsatz.
Im Vorwege sind genaue Absprachen mit den Maskenbildnern wichtig. Anproben mit dem Chor gibt es im halb-Stunden-Takt und geändert wird bis zur Generalprobe.

Das Handwerk hochhalten
Wie viel Budget zur Verfügung steht, darf mir Jan natürlich nicht verraten: „Es ist schon hoch, aber Kostüm Budgets sind immer zu wenig.“ Er jongliert gerne mit Zahlen und schätzt die Arbeit bei Don Giovanni auf etwa 10-12.000 Stunden ein. Nach Abschluss der Saison weiß er es genau. Das hilft für die Planungen im nächsten Jahr.
„Das Sakko wird noch klassisch gearbeitet, wir fertigen Couture und arbeiten für die Kamera. Das braucht Zeit und daran will ich gar nichts ändern.“ Jan weiß, dass es genau das ausmacht. Die auffallende Qualität der Ausstattung der Kostüme wird ihm immer wieder bestätigt.

Praktikanten werden als Erste ausgewählt, im Januar bis Februar

Wer ein Praktikum bei den Salzburger Festspielen machen möchte, sollte sich schriftlich bewerben und direkt an J.Meier@salzburgfestival.at adressieren. „Ich finde es super, junge Leute hier zu haben. Ich fördere sehr gerne, aber ich fordere dann auch,“ er lacht. Jan betont wie wichtig ihm das Vermitteln der Handwerkskunst an die nachfolgende Generationen ist. „Viele der alten Berufe gibt es kaum mehr. Die Ausbildung wird immer schulischer und praxisbezogene Erfahrungen fehlen.“ Jan fügt noch hinzu: „Bitte dazuschreiben in welche Richtung es gehen soll;
Will man sich einen Überblick verschaffen oder sich in einer der Werkstätten spezialisieren? Möglich ist auch eine Bewerbung als Kostümhospitant, um die Produktiondirekt zu begleiten.

„Zum Ende der Saison will jeder von jedem wissen: „Bist Du nächstes Jahr wieder dabei?“
Definitiv: ich bin’s!

More information
www.salzburgerfestspiele.at
Jedermanns Juden, Wien: www.jmw.at
Grosses Welttheater, Salzburg: www.salzburgmuseum.at/landesausstellung


Interview mit Jan Meier

Du bist seit 2015 Kostüm Direktor bei den Salzburger Festspielen.Wie zufrieden bist Du mit der Jubiläums Saison bis jetzt?(lacht) Mit der verlängerten Saison? Ich bin sehr zufrieden. Zwei Jahre Entwicklung waren gut für uns, wir konnten uns besser auf die Massen einstellen. Es hat den Prozess unterwegs verändert. Don Giovanni war erst schlichter geplant, weniger Kostüme bei den Statisten, der Chor war noch nicht entschlossen, da kam dann später noch das „Viva la Libertà“ Bild dazu. Es wurde genauer ausformuliert. Dadurch sind leider auch mehr Sachen gekommen, aber ich finde im Endeffekt auch Bessere.

Gibt es Nachhaltigkeit im Kostümbereich?
Ich hoffe. Ich interessiere mich sehr für Nachhaltigkeit, es ist oft schwierig am Theater, aber nichtsdestotrotz soll und kann ein Festival wie die Salzburger Festspiele einen Meilenstein setzen. Welche Hersteller bieten nachhaltige Stoffe und Recycling Materialien an? Das möchte ich immer mehr ins Bewusstsein bringen. Bei Don Giovanni sind Kostüme second hand von Momox fashion gekauft worden. Junge Leute vertreten das schon, die älteren interessiert das meist nicht. Man muss dafür sensibilisieren. Dafür haben wir das Budget und ich gebe dann auch mal mehr dafür aus. Es ist nicht einfach an diese Firmen ran zukommen. Und manchmal haben sie nicht 500-800m Stoff, Mengen, die wir meistens kurzfristig brauchen. Aber ich bemühe mich. Es ist auf meiner Agenda einen Kodex für Assistenten und Kostümbildner raus zubringen. Man muss nicht 10 Paar Schuhe online bestelle, die dann alle wieder zurück geschickt werden. Die Arbeitsbedingungen der Herstellenden sind auch ein Horror. Es gab jetzt gerade einen Leserbrief als Reaktion auf die Lederjacke von Anna Netrebko, die aus Krokodilleder sei, was nicht stimmt, es ist nur ein Print. Als gelernter Kürschner wurden mir damals die Qualitätsmerkmale aufgezeigt. Inzwischen konsumieren wir nur noch: Ich kaufe einen Pelz nicht um mich zu wärmen, es ist zu einem Luxusobjekt verkommen. Bei den Zuchtmethoden geht es nur noch um Kommerz und Gewinn. Das finde ich ganz furchtbar.

Als Kostüm- und Bühnenbildner, welchen Stellenwerthaben Hüte und Kopfbedeckungen für Dich: Stilmittel oder Schwierigkeit?
Stilmittel! Finde ich super, ich arbeite wahnsinnig gerne mit Kopfbedeckungen. Mit Reinhard von der Thannen haben wir viele Hüte eingesetzt.

Beobachtest Du eine Wandlung hin zu mehr Hüten auf der Bühne?
Das kommt in Wellen, Theater funktioniert ja auch wie Mode. Hier gibt es jedes Jahr Hüte, von bis. Früher gab es mehr Hüte. Der Mensch ist das Tragen von Hüten nicht mehr gewohnt und bei Anproben wissen viele nicht, wie sie ihn richtig aufsetzen. Es ist ein Teil der Rolle, des Charakters und damit muss man umgehen. Das zu vermitteln ist die Aufgabe vom Kostümbildner.

Sind Anproben mit Weltstars aufregender?

Man weiß nie ob sie kommen…(lacht)
Nein, ich persönlich bin sehr gelassen. Sind auch nur Menschen, die wissen was sie wollen. Anna Netrebko ist wahnsinnig angenehm. Es muss schnell gehen, aber sie legt viel Wert auf ihr Kostüm. Und wenn sie da ist, ist alles gut.