Als Elbsegler werden die Schiffermützen gerne bezeichnet, ein genauer Blick lohnt sich, um auch die Unterschiede zwischen Elblotsenmütze oder dem Fleetenkieker zu erkennen.

Hamburg hat zwar keine Tracht, aber seine Schiffermützen. Diese werden inzwischen weniger aus Tradition, denn als modisches Accessoire getragen. Das Alter der Träger und Trägerinnen ist deswegen auch sehr unterschiedlich.
Der Hafen prägt die Stadt Hamburg, die ab dem 12. Jahrhundert durch die „Hanse“ zu Wohlstand gelangte. Kaufleute, meist aus der bürgerlichen Oberschicht durften in Hamburg Positionen einnehmen, die andernorts dem Adel vorbehalten waren. Die Hanseaten gelten – nicht zuletzt wegen ihrer weltweiten Handelstätigkeiten als weltoffen, nüchtern, zuverlässig, aristokratisch-reserviert und steif.

Dunkelblau ist der hanseatische Klassiker bei den Schiffermützen, die Farbe des Wassers und der Marine. Das Material ist aus Marine Strichtuch und sehr strapazierfähig, erklärt Lars Küntzel. Er fertigt sie ebenfalls in Schwarz und Grau an und je nach Kundenwunsch auch in allen anderen Farben und Stoffen. Für einen Jäger hat er einen Elbsegler in olivgrün gefertigt. Das sah sehr gut aus, sagt er.

Lars Küntzel in seinem Geschäft, Steinstraße 21, Hamburg


Lars Küntzel ist der letzte Mützenmacher seiner Art. Sein Vater war Segler und hat seine Mützen schon immer bei „Eisenberg“, in der Steinstraße 21, in Hamburgs Altstadt gekauft. Lars Küntzel hat ihn als Kind begleitet. Als Claus Eisenberg, der letzte Nachfahre aus Altersgründen das Geschäft aufgeben wollte, hat Lars Küntzel nicht lange nachgedacht: ein Jahr lang ging er bei Claus Eisenberg in die Lehre bis er dann im Jahr 1992 – genau 100 Jahre nach Gründung durch Walter Eisenberg – das Familienunternehmen übernahm.
Lars Küntzel ist typischer Norddeutscher und damit klischeehaft wortkarg, gerade heraus – kurz: eine ehrliche Haut , ohne viel Aufhebens. Sein Beruf macht ihm Spaß und er hat sehr gut zu tun. Er sagt selbst, dass die Geduld der Kunden oft auf eine harte Probe gestellt wird, wenn sie 6-8 Wochen auf ihre Mütze warten müssen, manchmal auch länger. Aus der Ruhe bringt ihn das keineswegs. Seine Arbeit ist Handarbeit und jede Mütze wird mit geübten Blick geprüft, ob sie auch gut geworden ist.


Die Kordeln und Abzeichen werden nicht mehr in Deutschland gefertigt, Lars Küntzel bezieht sie aus Parkistan.

Fast alle seiner Materialien bezieht er aus Deutschland. Nur die goldenen Kordeln oder die gestickten Abzeichen kommen aus Pakistan, da sie hier nicht mehr hergestellt werden.Bis Mitte der 60iger Jahre saßen bis zu fünf Mitarbeiter in der kleinen Näherei. Die Nähmaschinen aus den Anfangsjahren sind immer noch da. Sie sind hundert Jahre alt und alle von der Marke Pfaff. Die Maschinen, die nachträglich mit Motoren versehen wurden, tun bis heute gute Dienste.
Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein, in dem schönen Kontorhausviertel, dass seit 2015 UNESCO Weltkulturerbe ist. Die Ladeneinrichtung, der Verkaufstresen und die Schaufensterdekoration haben den Charme der Vergangenheit erhalten und erlauben eine Zeitreise zurück.
Schnittmuster hängen in der kleinen länglichen Werkstatt. Sie sind aus fester Pappe und werden unverändert im Original verwendet. Ein Schnitt gilt für zwei Größen, in dem innerhalb oder außerhalb des Kreidestrich zugeschnitten wird. In der Werkstatt stapeln sich Pappschachteln mit Zubehör, neben Zuschnitten und halbfertigen Mützen. An den Wänden hängen Bilder von Segelschiffen. Lars Küntzel behält den Überblick. Auf Karteikarten sind die unterschiedlichen Kundenwünsche und Maße notiert.
Seine Kunden lassen gern in das Innenfutter oder den Steg ihren Namen sticken. Danach bereitet er zunächst den Deckel mit dem Vlies und dem Innenfutter, dann den Rand mit dem Steg vor. Näht beides zusammen, bevor die Plastikschiene im Steg eingenäht wird. Sie gibt der Mütze die stabile Form. Das Innenband aus naturfarbenem Echtleder und auch den Schirm aus Kunststoff bestellt Lars Küntzel vorgefertigt. Es gibt ihn in zwei Varianten; bezogen mit Stoff oder mit glänzendem Lackkunstleder. Zum Schluss wird der Schirm mit doppeltem 25er Faden per Hand und in großen Stichen an die Mütze genäht. Das hält, versichert er. Für eine Mütze braucht er bis zur Fertigstellung etwa zwei Stunden.

Das Angebot von Lars Küntzel umfasst 18 Mützen:
Der „Elbsegler“ ist beispielsweise eine alte Hafenarbeiter Mütze, die den kürzesten Schirm von allen hat. Ein Lederriemen kann bei Sturm unter das Kinn gezogen werden.
Der „Altstädter“ hat einen etwas höheren Rand und eine gedrehte oder geflochtene Kordel, je nachdem ob der Schirm aus Stoff oder glatt aus Lackleder ist.
Die „Elblotsenmütze“ wurde von den Lotsen selbst entwickelt. Dank höherem Rand kann sie fester auf den Kopf gezogen werden. Jedes ein- und ausfahrende Schiff wird bis heute von Hafen- und Elblotsen begleitet, in Teufelsbrück, ca. 7km vor dem Hafen steigen sie zu und manövrieren das Schiff durch das nur 15 Meter tiefe Hafenbecken der Elbe. Da sie sich beim Besteigen des Gastschiffes über die Jacobstreppe, so heißen die steilen Lotsentreppen, mit beiden Händen festhalten müssen, muss die Mütze natürlich gut sitzen.
Der „Fleetenkieker“ ist eine Arme-Leute-Mütze. In den kleinen Wasserwegen der Hamburger Altstadt, den sogenannten Fleeten, landete früher allerlei Müll. In diesen Seitenarmen der Alster, suchten die „Fleetenkieker“ bei Ebbe nach Brauchbarem. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verschwinden sie zunehmend aus dem Stadtbild, da neue Schleusen den Wasserstand regulieren und Fleete weniger befahren werden.
In vielen Küstenregionen gibt es eine lange Tradition der Schiffermützen. Manche Abwandlungen dienen der Zugehörigkeit zum Heimatort.
Die Akenmütze hat ihren Namen von der Stadt Aken, die an der Elbe liegt. Folgerichtig gibt es auch eine Kieler Mütze.
Eine Mütze mit dem Namen Altona gibt es auch, benannt nach dem ehemals dänischen Teil der Stadt – vor den Toren Hamburgs; „Dat is all to nah“, (Das ist allzu nah), stellen die damaligen Ratsherren fest und werden Namensgeber für die neue Siedlung.
Bis ins 18. Jahrhundert gehört Altona zu Dänemark und ist nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt. An der Elbe angesiedelt, besaß es zeitweise sogar eine größere Flotte als Hamburg.


Im Laden hängt ein Bild von Boxweltmeister Max Schmeling, der in Hamburg aufwuchs und eine NHV, (Norddeutscher Regatter Verein), trägt.

Berühmte Mützenliebhaber
Helmut Schmidt, Bundeskanzler von 1974 – 1982, wurde in Hamburg geboren. Ein Hanseat der alten Schule. Lars Küntzel erzählt, Helmut Schmidt war Kunde bei Eisenberg und er trug den Elblotsen mit dem Eichenlaub Band. Verwechselt wird diese Mütze immer wieder mit der „Prinz-Heinrich-Mütze“, die sich durch die größere Deckelform und auch durch das schlichte Ripsband unterscheidet. Angelehnt ist sie an die Mütze des Kaiserlichen Yacht Clubs, die wiederum eine Abwandlung der Uniformmütze der Kaiserlichen Marine ist. Der Bruder von Kaiser Wilhelm II., Prinz Heinrich von Preußen hat sie getragen.
Auch Karl Lagerfeld ist in Hamburg geboren. Seine Modenschau „Metiér d’Art, die er Ende 2017 in der Elbphilharmonie ausgerichtet hatte, war als Hommage an seine Geburtsstadt zu verstehen. Die Modells trugen von ihm entworfene Schiffermützen. Was Lars Küntzel noch nicht wusste, die Filialleiter der Chanel Stores wurden mit einem original Eisenberg Elbsegler beschenkt. In den beiden darauffolgenden Tagen herrschte bei Lars Küntzel der Ausnahmezustand. Er schmunzelt.

Im Moment ist er gerade stolz auf seine Sommermütze: sie entsteht dem Zeitgeist entsprechend aus altem Baumwoll-Segeltuch, von einer Jolle aus den 30iger Jahren. Das Material ist leicht – genau das Richtige für den Sommer. Die Substanz des Materials muss gut sein, kleine Stockflecken stören nicht, sagt er. Im Gegenteil, Liebhaber wissen die Gebrauchsspuren sehr zu schätzen. Der Kunde sucht sich das Stück Stoff gerne selber aus, aus dem dann das Modell „Alte Fock“ gefertigt wird. Sogar der Sack aus fester Baumwolle, in dem das Segeltuch aufbewahrt wird, findet Mützenliebhaber.

Auch Lars Küntzel segelt und versteht die Leidenschaft um die Schiffermützen. Er trägt übrigens einen Fleetenkieker aus 100% Cashmere. Der steht ihm sehr gut.

Mehr Information:
www.muetzenmacher-hamburg.de

Alte Fock, die Sommermütze aus Segeltuch

Diesen Artikel habe ich für HATLINES MAGAZINE #69 geschrieben, er erschien im Frühling 2020.